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CVJM Magazin: Jugendzentrum auf Rädern

Der neue Blaue Bus fährt durch das Oderbruch

 

uDer Motor erwacht mit einem Brummen. Auf dem Fahrersitz sitzt Stefanie Thierer und tritt sachte auf’s Gaspedal. Ein Blick auf das Armaturenbrett und schon rollt der Blaue Bus. Wie fährt er sich? »Gut, wenn er fährt«, sagt Stefanie und lacht. Anfang der Woche setzte sich die 35-Jährige, die die Mobile Jugendarbeit im CVJM Oderbruch leitet, ans Steuer und drückte auf das Gaspedal, doch der Motor machte keinen Mucks. »Wahrscheinlich haben wir vorher irgendeinen falschen Knopf gedrückt und dann ist die Elektronik durcheinandergeraten.«

 

Noch ist alles neu. Erst seit ein paar Tagen fährt der fast 20 Meter lange Mercedes-Bus durch das Oderbruch. 300 Pferdestärken, um Kinder und Jugendliche aufzusuchen, für die es hier sonst kaum Angebote gibt. »Jeder kann kommen«, sagt Stefanie. Ziel sei es, ein niederschwelliges öffentliches Angebot zu schaffen. Und noch mehr: »Als christlicher Verein ist es unsere Mission, dass wir hier vom Gott der Bibel erzählen.«

 

Hinter dem Fahrersitz quetschen sich große Wasserkanister und eine Cola Kiste. Gleich dahinter, wo sonst schon Fahrgäste Platz nehmen, schmiegen sich Schränke an die Buswände. Die Luft riecht nach Holz, das der Tischler Andreas Winter und sein Team aus Frankfurt (Oder) verbaut hat, um den Bus mit Tischen, Bänken und einer Küche auszustatten.

 

Vom Rost zerfressen Das mobile Jugendzentrum im Oderbruch existiert seit 2002. Der alte Blaue Bus fuhr 15 Jahre auf die Dörfer. Während sich der Rost immer weiter in die Fahrzeugteile fraß, machte schließlich die Elektrik schlapp. Kein Ofen, kein Licht, keine Heizung mehr: Ein neuer Bus musste her. Im alten Leben kurvte dieser Bus durch die Münchner Innenstadt – solange, bis er mit seinen 843.000 gelaufenen Kilometer ausrangiert wurde und im Gebrauchtbuszentrum Ulm landete. Mit Hilfe von Mercedes Benz in Frankfurt (Oder) konnte ihn der CVJM schließlich erwerben. Der Bus wurde überholt, erhielt eine neue Elektronik und Klimaanlage. Zuletzt wurde er blau lackiert und mit bunten Illustrationen beklebt.

 

Nun soll er jeden Tag in der Woche ein Dorf in der Umgebung ansteuern, etwa 100 Kinder und Jugendliche begrüßt das Busteam dort. Bei ihrem allerersten Besuch lädt es an jedem Standort zu einer kleinen Einweihungsparty ein. Heute: Altwriezen. Als der Bus auf die Dorfstraße einbiegt, wartet schon ein halbes Dutzend Kinder vor dem Gemeindehaus. Auch die zwei Mitarbeiterinnen des Busteams, die mit dem Begleitfahrzeug gekommen sind, stehen bereit. Stefanie, von allen Steffi genannt, drückt auf die Hupe. Schräg gegenüber von einem verfallenen Fachwerkhäuschen kommt der Bus zum Stehen.

 

Es ist eisig draußen. Während das Team den Bus vorbereitet, drücken Jugendliche ihre Gesichter gegen die Scheibe, um einen Blick nach drinnen zu erhaschen. Dann geht alles ganz schnell: Die mittlere Bustür öffnet sich, Steffi begrüßt alle und schneidet schließlich gemeinsam mit einem Jungen das rote Band durch, das vor den Türen baumelt. Die Kinder applaudieren und drängen in den Bus. »Es gibt eine vernünftige Heizung«, ruft ein Mädchen aufgeregt. Eine Frau von der Lokalzeitung macht Fotos. Der Ortsvorsteher schaut vorbei. Später gibt es Kindersekt aus bunten Bechern. »Werfen wir die Flasche gegen den Bus?«, fragt ein Junge. »Das machen wir dann zur Taufe«, antwortet Steffi. »Wir sind ja schließlich ein christlicher Verein.«

 

Sozial- und Kontaktraum Christina Wagner hat inzwischen die erste Tiefkühl-Pizza in den Ofen geschoben. »Ich glaube, der Blaue Bus ist sehr wichtig für diese Region – gerade für Orte wie Altwriezen. Er ist Sozial- und Kontaktraum«, sagt die 30-Jährige, die seit kurzem als Jugendreferentin im CVJM Oderbruch arbeitet. Schon zuvor war sie lange ehrenamtlich engagiert, ein Jahr davon im Vorstand. Sie erinnert sich noch daran, wie der Vorstand vor der schweren Entscheidung stand: Machen wir weiter? Wie lässt sich ein neuer Bus finanzieren? »Es war relativ schnell klar: Ohne den Blauen Bus geht es nicht.« Zum Glück bekam der Verein finanzielle Hilfe: Durch viele Einzel- aber auch Großspenden konnte das Projekt angegangen werden.

 

Vorne im Bistro hat sich Niklas gerade eine Salamipizza geholt. Seit 2009 besucht der 17-Jährige den Blauen Bus regelmäßig, nicht nur weil er etwas Warmes zu essen bekommt: »Die Gemeinschaft hier zu haben, das ist echt schön. Jeder ist willkommen, jeder wird hier aufgenommen.« Neben ihm auf einer Sitzbank knobelt Tullia (11) gerade am Busquiz, das die Mitarbeiter ausgeteilt haben. Hauptgewinn: eine Fahrt mit dem Blauen Bus. »Ich glaube, ich habe das mit den Spielen falsch angekreuzt«, befürchtet Tullia. »Ich denke, es gibt mehr als 40 im Bus.« Den neuen Blauen Bus findet sie »sehr schön«. Und was gefällt dir am besten? »Die Tür. Vorher ging sie nicht richtig zu, aber jetzt schon«, sagt sie und zeigt auf die Holztür mit Guckloch, die den hinteren Teil des Busses vom Bistrobereich trennt.

 

Dort hinten glitzert eine Discokugel von der Decke. Daneben hängt ein Beamer, der Filme auf eine Leinwand projizieren kann. Der Blaue Bus ist ausgestattet wie ein normales Jugendzentrum. Auf dem Tisch, an dem Steffi mit zwei Kindern sitzt, liegen bunte Karten: eines von vielen Gesellschaftsspielen, die in den Bänken und Schränken lagern. Auch für warme Tage ist der Bus ausgerüstet: Wer mag, kann dann draußen Tischtennis, Volleyball und Fußball spielen. Oder Seifenblasen pusten und Seil springen. Im Blauen Bus wird gebastelt, gesungen, gelacht – zu jeder Jahreszeit. Der Leiterin der Mobilen Jugendarbeit ist aber auch die Arbeit in Kleingruppen wichtig: »Wir laden die Kinder zur Kids-Time oder zur Cookie-Time ein. Dann lesen wir miteinander Bibel und erzählen, was wir in unserem Glaubensleben erlebt haben.«

 

Den meisten Kindern und Jugendlichen fehle es hier an religiösem Grundwissen. »Es gibt Kinder, die sagen: Ich will nicht beten. Oder sie probieren es einfach mal aus.« Steffi möchte ihnen vor allem eine christliche Haltung vorleben: Sich gegenseitig achten, sich entschuldigen, Fremde nicht von vornherein ablehnen. »In Letschin war es einmal Thema, ob Ausländer auch zum Blauen Bus kommen dürfen,« erinnert sie sich. Mittlerweile spielen die Kinder meistens friedlich zusammen. »Wenn ich an diese krasse Ablehnung denke, kommt es für mich einem Wunder gleich, dass Gott durch die Arbeit mit dem Blauen Bus auf die Einstellung der Menschen so genial gewirkt hat«, freut sich die CVJMerin. Sabrina Becker

 

Finanzielle Mammutaufgabe

 

Insgesamt 350.000 € hat der CVJM Oderbruch an Geldern gesammelt, um das Projekt »Blauer Bus« zu finanzieren. »Eine Mammutaufgabe«, sagt dessen Gesamtleiter, Ramon Haag. Bislang konnte sich der Verein über viele Einzel-, aber auch Großspenden freuen, die etwa ein Drittel der Gesamtsumme ausmachen. »Das ist für mich ein Wunder«, bedankt sich Haag. »Unser weiterer Dank geht an die Meyer-Struckmann-Stiftung, die Stiftung Kirche im Dorf, den Fond für Missionarischen Aufbruch der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und den Evangelischen Kirchenkreis Oderland-Spree. Wir danken auch den Kommunen und dem Landkreis.«

 

Noch fehle eine geeignete Halle, um den Blauen Bus zu parken sowie ein Begleitfahrzeug. Außerdem müssten laufende Kosten gedeckt werden. Dabei baut Haag auch weiterhin auf die finanzielle Hilfe der Freundinnen vom Inner Wheel Club, dessen Distrikt 86 jedes Jahr eine größere Summe spendet. Auch die Brandenburgische Provinzial-Genossenschaft des Johanniterordens ist als Projektpartner von Anfang an dabei. »Wir haben noch viel vor mit dem Blauen Bus.« Der CVJM wolle die Arbeit »ausbauen und ein missionarisches Jahr anbieten für vier junge Menschen: Gaben und Stärken ausprobieren, Kinder begleiten und die Liebe Gottes hier zu den Menschen bringen.«

 

CVJM-Magazin 02/2018, Seite 16-17

Link zum Artikel: https://www.cvjm-ostwerk.de/resources/ecics_142.pdf